Im Schriesheimer Gewann "Baret"

Privates Projekt: Aus dem Dornröschenschlaf zur Streuobstwiese

"Da haben Sie sich aber was vorgenommen" - ein Satz, den ich ständig höre, wenn Spaziergänger an mir vorbeiziehen, während ich mich um mein "Stückl" kümmere. Mein "Stückl", das sind eigentlich mehrerer Flächenober und unterhalb des Wanderweges "Blühende Bergstraße" im Gewann Baret auf Schriesheimer Gemerktung aber deutlich näher an Leutershausen. Mittlerweile (Stand 2021) sind es knapp 4000 qm, die ich sprichwörtlich aus dem Dornröschenschlaf erweckt habe oder noch erwecke - aber nicht mit Motorsense, schweren Maschinen und haufenweise Menpower, sondern allein und per Hand. Verrückt, sagen die einen, Kopfschütteln tun die anderen und nur wenige zeigen ihre offene Bewunderung für mein Wirken im Kleinen.

 

Warum ich mir das "antue"? Nun, zum Einen ist es eine mitunter sehr meditative und befriedigende Arbeite, einen Brombeerstängel nach dem anderen abzuschneiden, es ermahnt mich in einer hektischen Zeit, Dinge einfach mal mit Ruhe und Gelassenheit anzugehen und erinnert mich daran, dass auch die Natur sich das Stückl nicht über Nacht geholt hat, sondern - der Dicke der Clematis-Ranken nach - dafür mindestens 10 Jahre Zeit hatte.

Auch möchte ich den Tieren, die im Dickicht wohnen, die Möglichkeit geben nach und nach ein neues Zuhause zu finden. So ist die obere Hälfte des Stückels nach wie vor "Dschungel" und Heimat von Zaunkönig, Fuchs und Hase. Die Forsythen dort will ich irgendwann mal roden, denn davon hat kein Käfer und keine Wildbiene etwas - Forysthen haben weder Pollen noch Nektar. Stattdessen möchte ich dort Haselnuss und Weißdorn pflanzen, evtl. auch eine Schlehe. Zukunftsträume. Im unteren Bereich habe ich zwischen all den Brombeeren und Clematisranken, 2 Haselnussbüsche und eine Hundsrose entdeckt und werde alle 3 Büsche freistellen, etwas zurückschneiden und hoffen, dass sie durch die verbesserten Lichtverhältnisse sich auch gut vom dem stiefmütterlichen Dasein im Schatten der Ranken erholen werden. Dann bieten sie hoffentlich in ein paar Jahren Nahrung und Heimat für diverse Tiere. Doch erst mal werde ich schauen, was sich noch so als Überraschung im Dornengebüsch findet.

 

Ein wahrer Streuobstschatz waren die Apfelbäume. 3 an der Zahl waren mitunter so weit eingewachsen, dass ich den dritten Baum erst sah, als ich die ersten beiden freigestellt hatte. Zu meiner großen Begeisterung war das ein Brettacher-Apfel. 2 Äste leben noch und ich hoffe ich kann ihn im Herbst so weit schneiden, dass er sich statisch in den nächsten Jahren wieder ausgeglichen entwickeln wird.

Aktuell ist ans Bäumeschneiden nicht zu denken. Erst mal müssen die Brombeer- und Clematisststummel so weit entfernt werden, dass man auf dem Grundstück laufen kann, ohne darüber zu stürzen. Das wird noch eine Weile dauern, aber nach und nach entwickelt sich hier was.

 


Müll, Müll und noch viel mehr Müll

2017. Es ist unglaublich, was Leute in ihren Gärten an Müll horten. Wieder mal im Baret.  Das Stück habe ich zum Pachten angeboten bekommen und ich konnte nicht widerstehen, denn ich benötige ein "Sprungbrett", einen abschließbaren Garten, um Sense und Co lagern zu können. Das Grundstück hat einen Zaun, auch wenn ich kein Freund von Zäunen bin, leider ist unsere Gesellschaft so gestrickt, dass nicht alles, was man festnagelt oder einschließen kann, als "mitnehmbar" bewertet wird. Es ist und bleibt Diebstahl!

 

Außer dem Zaun war allerdings hinter dem Dickicht aus Brombeeren und Clematis nicht viel zu sehen. Die berühmte Katze im Sack also. 100 Euro Pacht. Klingt im ersten Moment nicht viel, aber.... das Gartengrundstück entpuppte sich als Müllhalde im Dornröschenschlaf.  Nachdem ich mich größtenteils durch die Brombeeren geschnitten habe, kam ein zerfallenes Klohäuschen, ein zerfallener Geräteschuppen und ein Gartenhäuschen in einen  - nun ja - mehr oder weniger akzeptablen Zustand zutage. Und Müll. Jede Menge Müll. Haufenweise Müll. 5 Hängerladungen mindestens, dazu einige Fahrradanhängerladungen, die noch irgendwo schlummern, denn wir sind noch nicht durch alle 700 qm durch. 

 

Ich hatte Verrottungsstufen diverser Plastiksorten von Weichplastik (Blumenerde-Säcke, Kinderspielzeug) bis Hartplastik  (Blumentöpfe, Gartenmöbel, Kisten, Eimer...) in der Hand und alle sind sie mir zerbröselt. Erschreckend. Hier konnte man live miterleben wie Mikroplastik entsteht und das weit ab aller verschmutzen Ozeane, direkt vor der Haustür in einen Lebensraum, in dem man sich doch eigentlich erholen möchte. Stattdessen fand ich halb verrottete Autobatterie, dutzende von verrosteten Sonnenschirmen, dutzende Plastikblumentöpfe mehr oder weniger kaputt und jede Menge halb aufgelöster Kunstfasern und das Grauen in Person: eine Dose mit einem glyphosathaltigen Spritzmittel und einem ziemlich löchrigen Benzinkanister. Wohin das Benzin ausgelaufen ist, möchte ich mir nicht vorstellen. 

 

Warum? Warum liebe Leute braucht man so viel künstliches Zeug in der Natur? Sind wir so degeneriert? So bequem? Ich stand ein wenig beschämt vor dem Müllberg, den ich bei der Abfallentsorgung fachgerecht entsorgt habe. Kosten: 250 Euro. Aber ein Gewinn für die zukünftigen Generationen, denn all der Dreck wird nun nicht ins Grundwasser sickern und die Natur dürfte wenigstens auf diesen 700 qm wieder aufatmen.

 

Ich schäme mich für die Menschheit. Wie kann man so schlecht mit seinem Heimatplaneten umgehen? Sollen unsere Kinder und Kindeskinder im Müll ersticken? Mir wird bei all den Stunden der Müllbeseitigung eines klar: Es muss sich was ändern. Sofort!  Es ist nicht der Strand von Rio, der im Müll erstickt, es ist eine Badebucht in fernen Thailand, die von "bösen Einheimischen" als Müllkippe missbraucht wird, es ist hier! Hier ist das Problem. Wir sind es. Es fängt doch schon zu Hause an. Wer immer denkt "nach mir die Sinnflut", muss sich nicht wundern, wenn die Sinnflut noch zur eigenen Lebzeiten kommt, denn eines Tages wir es so weit sein, und das ist nicht mehr lange hin.

Und gerade weil es keiner sehen will, habe ich hier noch ein paar "nette" Bilder:


1 Jahr später -  2018: Auf meinem in Pflege genommenen Baret-Grundstück oberhalb des Blütenwegs. Wenn man per Hand arbeitet, nur mit der Sense, der Schere und dem Rechen, dann geht alles etwas langsamer vonstatten. Aber zugewuchert ist das Stückchen auch nicht über Nacht. Immerhin:   Am Blütenwegsfest war es möglich bereits eine kleine Veranstaltung auf einem Teil der Fläche durchzuführen. Die letzten Brombeerreste habe ich dort niedergemäht, die letzten Stolperfallen in Form von Clematisranken entfernt. Schnippelarbeit. Das Gras kann kommen, doch vorher dürfen erst mal die Kinder am Blütenwegsfest kommen und ein altes Sensenblatt dengeln, Efeu von der alten Kirsche kappen (und waren überrascht, dass der schon sehr viel älter war, als sie selbst.... sehr, sehr viel älter!) , Büschel aus Clematisrranken binden und zum Kleinschnippen war immer noch reichlich da. Wenn man bedenkt: Vor einem Jahr war der Baum vollständig im Brombeer- und Clematisdickicht verschwunden, die beiden Apfelbäume die man links und rechts im Hintergrund vom Pfosten im Vordergrund sieht, hat man überhaupt nicht erahnen können. 

 

Ich bin gespannt darauf, wie sich die Fläche in den nächsten Jahren entwickelt. Eines ist gewiss: Auf mich wartet noch ein Haufen Freizeitarbeit. Was soll´s. Im Fitness-Studio zahle ich dafür, dass mir komische Vögel über den Weg und ich in einer künstlichen Atmosphäre den verdunsteten Schweiß anderer Leute einatmen soll, während ich mich abrackere. Das hab ich hier draußen doch viel angenehmer. Komische Vögel gibt es reichlich, vom Grünspecht über den Rotmilan, die Luft wird an manchen Tagen "nur" durch die Spritzerei der angrenzenden Winzer in Mitleidenschaft gezogen und die Pacht habe ich in diesem Fall dank eines netten Grundstücksbesitzers erst mal gespart - der sieht selbst, dass da noch Stunden Arbeit lauern, eher man da eine Wiese mit beerntenbaren Obstbäumen hat, zum ich das Grundstück und die Ernte ja nicht für mich, sondern für die Schulen nutze oder so wie am Blütenwegsfest für den Geopark. Mein Verdienst dieses Tages fließt in ein neues "Fitness-Gerät": ein Posthorn-Sensenblatt. Ich hoffe, die kommt besser mit den Brombeeren und den Forsythen-Sträuchern zurecht, als die Buschsense, die schon mächtig gelitten hat. Wer schon mal eine Buschsense per Hand gedengelt hat, weiß, was das für ein Kraftakt ist. Die Posthornsense bekommt hoffentlich nicht so schnell Macken. 


Ende 2019 erlebte das "Wiesengrundstück" am Baret noch mal eine mächtige Belebung, denn endlich war es so weit und ich hatte den Platz geschaffen für Neuzuwachs. Die Martin-Stöhr-Grundschule konnte hier nun mit den 4. und 2. Klassen Bäume pflanzen. So kamen auf das Grundstück neu hinzu: Ein Brettacher- Apfel, eine Mollebusch-Birne, eine Mombacher Frühe Aprikose, ein Schöner aus Boskoop und ein Weißer Winterglockenapfel. Ich hoffe sehr, das die Bäume alle anwachsen, denn die Kinder haben sich viel Mühe beim Ausheben des Loches und dem Pflanzen der Bäume gegeben. Sogar eine Vogelkirsche durften sie fällen...eine ganz kleine ;-).